Das Magazin für umgebaute Motorräder

American-V2-Magazin

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Zum anschnuppern......

  • .....halte das Ding für nich übel.......


    Der Mensch an sich ist feige. Feige und ängstlich. Diese Tatsache alleine ist im Grunde nicht verwerflich. Meist ist er es vor den Dingen, die er nicht einschätzen kann, die ihm gefährlich werden können. Somit ist Feigheit und Angst eine körpereigene Schutzfunktion. Erstaunlich ist, das dicke Menschen öfter, schneller, länger und mehr.........Nein, nicht ficken können........Angst haben. Warum das so ist? Weiß nicht.........es liegt wohl kaum daran, das sie halt mehr Körper haben als schlanke Menschen, der mehr Angst beinhalten kann. Ich denke, das es ne Sache des Fluchtgedanken ist.........die brauchen halt länger, bis sie abgehauen sind, deshalb haben sie früher Angst als schlanke Menschen. Ach, Scheiß drauf........wer im Glashaus sitzt............außerdem will ich gar nicht über Dicke ablästern. Die sind ja gemeinhin sehr oft sehr lieb, sehr zuvorkommend, sehr hilfsbereit und sehr nett. Kein Wunder, müssen sie ja auch...........sonst gibt sich ja keiner mit ihnen ab. Oder willst Du n dicken, hässlichen, stinkenden Kumpel, der gleichzeitig auch noch ein Arschloch ist? Natürlich nicht.


    Grad in dieser Sekunde hab ich im Geiste meine Freunde durchgezählt. Gib´s zu, Du auch..........


    Anyway, jetzt wird nich über Dicke abgehetzt. Darauf wollte ich nicht hinaus. Eigentlich wollte ich die Geschichte vom Jürgen S. mit seiner Pan Head aus Kamp-Lintfort erzählen. Kamp-Lintfort, oder auch von Einheimischen liebevoll KaLi genannt, ist diese kleine Bergarbeiter Stadt im westlichsten Zipfel des Kohlenpotts. Heute- Journal-Guckern und Siemens-Telefonierern dürfte Kamp-Lintfort noch ein Begriff sein. Siemens und nachher BenQ gehörten neben der Zeche zu den größten Arbeitgebern in KaLi. Ich nich, ich hatte da nur mal ne kleine Mopped Werkstatt. War ne bunte Zeit damals, die Bude war ne ehemalige Autowerkstatt auf dem Gelände einer Spedition. Bedauerlicherweise war das Gelände nicht gepflastert oder sonst in irgendeiner ortsüblichen Art und Weise befestigt................


    Man muss also nicht studiert haben um sich vorzustellen wie es da aussah, wenn dort 40 Tonnen mit 6 Achsen bei Regenwetter und vollem Lenkeinschlag gewendet haben. Genau.......... wie eine Moto Cross Strecke. Wenn dann etwas länger die Sonne geschienen hat, kamen die Jungs aus der Nachbarschaft mit ihren ferngesteuerten RC- Autos um damit durch die inzwischen eingetrocknete Mondlandschaft zu fahren. Irgendwann stand ich mittagspauseverbringend mit ner Tasse Kaffee, 2-3 Kunden und ner Handvoll Bengels auf dem Hof und wir knatterten mit RC Cars durch die eingetrocknete, knüppelharte Kraterlandschaft, als wir aus der Ferne das Blubbern und poltern einer Harley vernahmen.


    Wir alle schauten den Weg rauf, wer uns denn da wohl beehren würde. Kumma, wer da kommt, Olle.... sagt einer der Anwesenden. Wer is dat? frage ich neugierig. Ich glaub, dat is der dicke Jürgen. Kenn ich nich.....der war auch noch nich hier...aber der is ganz schön schnell antworte ich ohne jede Betonung. Musse auch nich kennen war die ebenfalls emotionslose Reaktion.


    Eine Staubwolke hinter sich herziehend wie n Planwagen in der Wüste Arizonas bei voller Fahrt kommt der dicke Jürgen also den Weg runter geflogen. Ich sag noch: Wenn der jetzt nicht bremst, liegt der gleich hier und macht Erdkunde.


    Eilig brachten die Jungens ihr Autos in Sicherheit. Sie wuselten rum und klemmten sich die Dinger unter die Arme. Ruhig und gelassen sage ich ihnen, das sie bitte Jürgens Einflugschneise räumen sollen. Geht ma anne Seite, ihr Blagen. Der ballert hier gleich durch und wird hin und her hüppen wie ne Flipperkugel. Kleine Füße brachten also kleine Autos in Sicherheit, die kleinen Menschen freuten sich schon, was wohl als nächstes passieren würde und mein neuer Kunde lieferte uns die erhoffte Show...


    Der Weg zu mir war ein kleines bisschen abschüssig und da die LKW zum wenden immer an der gleichen Stelle anfingen zu lenken, folgte der dicke Jürgen mit seinem Hocker deren Bahn im getrockneten harten Matsch. Ganz nach Indianer Art konnte ich schon das Weiße in seinen Augen sehen. Die wurden schlagartig größer als das Bike seinen Weg machte und Jürgen merkte, das er die Karre seit 18 m schon nicht mehr unter Kontrolle hat. Quasi eine Sattelzuglänge..........


    Hoppla, sage ich während ich anerkennend nicke. Jetzt hat ers begriffen......... Wir machten alle gleichzeitig zwei drei Schritte rückwärts, niemand wollte dem jungen Luke Skywalker im Anflug auf den Todesstern im Wege stehen. Gas hatte er schon lange weg genommen, leider konnte ich nicht erkennen, ob sein Bremspunkt vor oder hinter meinem lag. Wegen der Furchen im Boden machte das Bike die heftigen Lenk- und Flatterbewegungen von ganz alleine, synchron dazu hob das Hinterrad immer und immer wieder ab. Irgendwie war der Motor ausgegangen, warum weiß ich nicht mehr. Ich denke aber, das Jürgen noch den 4. Gang drin und einfach nicht auf die Kupplung getreten hatte. Wie auch immer, die Mühle hoppelte mit hell leuchtendem Bremslicht an uns vorbei. Dabei klingelte und schepperte sie wie eine Schubkarre voll mit Schraubenschlüsseln, die man einen U-Bahn Schacht hinunter wirft.


    Die anwesenden Kinder honorierten diesen wirklich guten Stunt mit Beifall und Gejohle, wir anwesenden Erwachsenen waren stumm und ich hoffte das er sich nix tut. Von wegen Verkehrssicherungspflicht und so. Endlich kam Jürgen mit seiner Mühle zum stehen. Er hielt kurz inne, klappte den Ständer raus und stieg ab. Unmittelbar danach kniete er sich vor meinen Laden. Nun konnte man sich dem Szenario gefahrlos nähern und wir die wir da standen machten uns auf, den knienden Neuankömmling zu begrüßen. So is schön dachte ich........kniet vor meiner Hütte wie vor einem Altar....... Das gefiel mir. Auf dem Weg fiel mir auf, das Jürgen die Arme vor seinem dicken Bauch verschränkt hatte. Langsam dämmerte mir, das er sich weh getan hatte.


    Im Halbkreis standen wir um ihn herum. Ich ergriff das Wort: Tach! Noch alles dran, Colt Seavers? Der dicke Jürgen stöhnte nur auf: Meine Eier.............! Die kleinen Jungs fingen an zu gröhlen und zu lachen. Na, komm erst mal hoch, sagte ich. Einer der Kollegen umfasste Jürgen von hinten und hob seine Arme hoch. Das kannte ich noch aus dem Sportunterricht.


    Irgendwann später, Jürgen war wieder zu sich gekommen, saßen wir in der Werkstatt bei nem Pott Kaffee und Jürgen erzählte unaufgefordert seine halbe Lebensgeschichte. Was er nicht alles kann und macht, wen er nicht alles kennt und wer ihn nicht alles kennt. Das er doch eigentlich selber schrauben würde, aber keine Zeit hätte. Naja, das Übliche halt. Nach etwa 2 Stunden kam er dann auf den Punkt, er wollte das ich ihm die Karre schraube. Die 62er Pan war an und für sich im guten Zustand, machte optisch n bisschen was her und er ließ sie auch gleich da.


    Jürgen war mit meiner Arbeit zufrieden und kam somit immer wieder mit kleineren Reparaturen. Mal n Birnchen, mal Kette spannen. Er musste wirklich wenig Zeit haben, wenn er nicht mal das mehr selber konnte. Irgendwann kam er mal mit nem größeren Anliegen. Hömma, die raschelt so komisch..... sprach er mich an. Jürgen, wat hasse denn? Lass ma hören.... begrüßte ich den dicken Jürgen an diesem Morgen. Und siehe da, die Pan machte komische Geräusche. Irgendwie Primär oder Getriebe. Jürgen, sagte ich ernst. Diesmal musst Du aber n bisschen Geld in die Hand nehmen. Das kostet n paar Mark. Is nicht schlimm, schreib mir ne Rechnung mit 250 Mark und über den Rest ne weitere. Warum denn das? frage ich verwirrt. Na, wegen meiner Alten entgegnete Jürgen und machte dabei eine abwinkende Bewegung mit der Hand. Mir war klar, ab hier keine Fragen mehr zu stellen und Jürgens Wunsch entsprechend wollte ich dann 2 Rechnungen schreiben. Ich machte mich ans Werk und pflückte den Hocker auseinander. Parts sichten, Parts listen, Parts ordern. Soweit so gut, alles kein Thema........für den Moment jedenfalls. Es sollte ja alles noch viel böser kommen. Aber der Reihe nach.


    Irgendwann war die Mühle fertig und Jürgen holte ab. Wat krisse denn jetzt? fragt der mich. Insgesamt sinnet knapp Zwölfhundert, Jürgen. Verteilt auf zwei Rechnungen. Jürgen war nicht überrascht, wusste er doch wie es um seine Mechanik bestellt war. Wie gewünscht einmal 250 Mark für die Mutti und eine über den Rest. Alles klar, sagt das dicke Ding. Ich komm Anfang nächste Woche rein und bring die Moppen vorbei. Mach dat, Jürgen. So trennten sich an diesem Tag unsere Wege.


    Sie trennten sich für eine lange Zeit. Die Wochen gingen ins Land, kein dicker Jürgen, kein Geld, keine Panhead waren zu sehen. Irgendwie machte mich das unten rum nervös. Handys waren zu der Zeit zwar bekannt, aber noch immer so groß wie n Toaster. Ich hatte keines und der Dicke glaub ich auch nicht. Anyway, ich hakte nach, fragte n paar Leute ob sie was von dem dicken Jürgen aus der Kattenstrasse gehört haben. Klaro hatte man. Jürgen gehts gut, Jürgen geht arbeiten, fährt Mopped, alles war prima. Na ja, fast alles, schließlich hatte ich noch über n Riesen zu bekommen und Meat Loaf hatte es nicht nötig sich wenigstens mal sehen zu lassen.



    Irgendwann, ich weiß nicht mehr wann, hatte ich die Fresse voll von dem Getue. Nach monatelangem Warten und Ausharren nahm ich beide Rechnungen, tütete sie ein, Briefmarke drauf und ab dafür. Soll er sich doch grade machen vor seiner Alten, der Knallkopp. Am gleichen Tag lag das Ding im gelben Kasten, den Rest sollte die Post und Jürgens Frau erledigen. Ich ertappte mich dabei, das ich einen Höllenspaß hatte und gerne ein Mäuschen beim dicken Jürgen in der Bude wäre. Ich würde es genießen, wenn Frau S. mit dicken Fingern........Moment, das wusste ich ja gar nicht...... Ich kannte seine Alte überhaupt nicht, trotzdem hatte ich ein konkretes Bild von ihr. Das sich das Bild schon sehr bald neu formen würde, war mir zu diesem Zeitpunkt nicht klar......

    Ach wat, die paar Indianer....
    Gemeral Custer 1876

  • Mein lieber Evo, da hoffe ich doch mal, dass du heute Nacht auch nicht schlafen kannst und die Story weiter schreibst.. ;-)


    Ist super zu lesen, mehr davon.


    F.D.

    Denke immer daran, dass es nur eine Zeit gibt: heute, hier, jetzt