Also..........eins mal vorweg...............ich als kurzhaariger, latent übergewichtiger Enddreißiger bin ja so ganz tief in mir drin ein sehr harmoniebedürftiger Mensch. Ich hab an sich auch ne sehr lange Zündschnur, will heißen, um mich aus der Reserve zu locken braucht´s schon was Deftiges. Da kommt mir der tagtägliche Arbeitstrott insofern entgegen, als das Abläufe und Handhabungen gleich welcher Art doch immer sehr ähnlich sind. Unterschiede gibts hier nur zwischen den Abläufen und Handhabungen, nämlich die Jobs die zu machen sind, sowie teilweise neue Bekanntschaften die mit denselben einhergehen. Von einer solchen möchte ich Dir was erzählen, Ollen.
Nach endloser Quälerei durch den Berufsverkehr auf verschiedenen Autobahnen betrittst Du morgens kurz vor acht fröhlich pfeifend mit der Ray Ban auf der Nase die Werkstatt. Mit ein bisschen Glück weht Dir eine Brise frischen Kaffees entgegen, Du bist guter Dinge und hast mit ein bisschen noch mehr Glück einen groben Abriss auf dem Schirm, was der Tag Dir bringt. Weil Du ja gestern, vorgestern und vorvorgestern schon da warst, sind die meisten Bikes in der Werkstatt Dir relativ vertraut. Naja.....Du kennst sie vom sehen, weil sie eben gestern , vorgestern und vorvorgestern auch schon da waren. Außer der blaue Evogammeleimer.........der war gestern noch nich da. Das Auspuffknistern verrät, die Karre ist grade erst gekommen.
Trotz aller Harmoniebedürftigkeit leide ich morgens sehr unter meiner Wortfindungsschwäche, so dass mein Guten Morgen sich in etwa so anhört wie das Guten Morgen eines ausgewachsenen Grizzly den man Anfang Januar aus dem Winterschlaf reißt. Dies interpretieren manche meiner Mitmenschen als negative Aura meinerseits und wenden sich oft von mir ab.
Oft.
Aber leider nicht immer.........so geschehen an diesem Morgen. Aus einer Ecke der Werkstatt, in der ich um diese Uhrzeit gar kein Leben vermute, blafft mich ein Etwas an, dessen Stimme mich sofort an Elmar Gunsch erinnerte. Hömma! krächzt und grummelt es aus der besagten Ecke. Da stand sie also, meine erste neue Bekanntschaft für heute. Während Elmars Hömma sich immer noch durch meine Gehirnwindungen bohrte musterte ich den Knaben von oben bis unten. Ein schlecht rasierter, offensichtlich miesgelaunter Mittvierziger der bekleidet war mit einer Schnürlederhose sowie einem mit Aufnähern vollgeballerten Emblemkittel, der den Schluss zuließ das dieser Mann einer weltweiten Organisation zugehörig war, die neben der Bekleidungslinie auch noch Motorräder im Programm hat. Das ganze war gekrönt durch eine Zigarre in seinem Mund, die der Größe nach eigentlich zu einem anderen Geschlecht an eine andere Stelle gehört hätte.
Noch immer die Ray Ban auf der Nase sah ich ihn an und antwortete pfiffig: Wat is?
Hömma, ich hab n Problem mit meiner Karre! Da musst Du mal nach gucken.
Kann ich machen, erwiderte ich und weiter: Wat hattse denn?
Na ja, sie macht n Geräusch....
Na, dann lass mal hören.
Wie vermutet gehörte der Evogammeleimer dem Elmar und allem Anschein nach ist Elmar nicht der König der Pflege. Er schaltete die Zündung ein und startete den Motor. Was ich dann hörte, ließ mir das Blut in den Adern stocken. Dieses Geräusch lässt sich nicht in Worte fassen, ich kann´s nicht wiedergeben oder Dir erklären. Es hörte sich an wie..........sieben oder acht gefüllte Werkzeugkisten die Du geöffnet die Spanische Treppe in Rom runterfeuerst und deren Getöse noch untermalt wird von Abermillionen von Pingpong- Bällen die hinterher hüpfen. Ja, ich denke diese Beschreibung trifft es am ehesten. Sofort griff ich nach dem Zündschalter und beendete das Martyrium des armen Motors.
Was ist das denn? fragte ich ihn sichtlich erstaunt. Das müsse ich doch wohl wissen, antwortete Elmar mit einem knurrigen Unterton. Ich muss das wissen.........soso..........erst muss ich gucken, jetzt muss ich wissen........was kommt denn da als nächstes?
Ehrlich, Ollen, es war mittlerweile 10 nach acht, ich hatte immer noch keinen Kaffee, war mit Elmar alleine und ganz langsam zogen dunkle Wolken auf.
Na, wenn ich es wissen muss, dann allem Anschein nach wohl einmal alles
Wat heißt den einmal alles? fragt Elmar.
Naja, Mann, einmal alles neu.
Was das denn für eine Aussage wäre, einmal alles, ob ich nicht n bisschen konkreter werden könnte.
Hör zu, Du kommst hier an mit ner Karre, die sich anhört wie ein Tunnelbohrer unter Vollast und erwartest von mir jetzt ne konkrete Antwort? Ich werd gleich konkret, Kollege............
Sichtlich nervös fing Elmar an seine Zigarre zu zerbeißen und ich trollte mich. Beim rausgehen Richtung Kaffeemaschine hörte ich ihn noch was von Kackealteverdammte brummeln und hoffte insgeheim mein Kollege würde sich seiner annehmen. Der saß fröhlich grinsend am Tischchen beim Nuttenfrühstück und lacht mich an: Moin, liebe Jung
Moin, Ollen, sach ma, da draußen inne Werkstatt steht einer mit nem Uraltevo und nem lustigen Emblemkittel, der raucht Dildos.............
Jo, den hab ich auch schon gesehen.
Gesehen, gesehen...............haste die Karre gehört?
Klar.
Und?
Na, einmal alles.
Hähä...........da sind wir uns ja einig.
Jo.
Ich schenkte mir n Pott Schwarzes ein und wir plauderten über allerlei Dinge. Das machen wir fast jeden Morgen bis etwa um halb neun der Dienst offiziell beginnt. Die anderen Männers waren zwischenzeitlich auch eingetroffen und bis sie sich umgezogen hatten sorgte Elmars Art für ausgelassene Heiterkeit. Mit einem Mal betrat Elmar unseren Pausenraum. Ehrlich, Ollen, da steht der mittendrin.........ein Sakrileg, der Mann betritt unaufgefordert heiligen Boden. So ein Pausenraum, das ist was ganz persönliches, denn an jeder Pausenraumtür endet der demokratische Sektor der Bundesrepublik Deutschland. Da geht man nicht einfach rein.
Elmar steht also in der Tür, hat die dunklen Wolken gleich mitgebracht und durchbricht die Stille indem er beginnt wild gestikulierend über seinen Motor zu referieren. Mit hochrotem Kopf schnaufte er was von Servicewüste Deutschland, er müsse los, die anderen warten schon blablabla. Mit einem Mal redeten alle wild durcheinander und man hatte Mühe sein eigenes Wort zu verstehen.
Als die Gemüter sich halbwegs beruhigten kehrte Ruhe ein auf unseren 6 Quadratmetern und mir fiel jetzt erst auf, das der Azubi immer noch in der Unterhose da stand. Ich nutzte die Gelegenheit, als Elmar wieder zu atmen anfing und versuchte es auf die Kumpelige:
Dein Motor hat nicht ein Geräusch, dein Motor hat mindesten zehn Geräusche. Da geht man nich einfach hin, dreht drei Schrauben und alles ist schön, so was muss auseinander.
Für einen Moment konnte man eine Stecknadel fallen hören und Elmar kam langsam wieder auf den Teppich zurück. Ja.................und nu? fragte er in die Runde.
Geh ma zurück inne Werkstatt und wenn der Stift angezogen ist, können wir mal gucken.
So taten wir dann auch, wir trabten also mit der gesamten Crew in die Halle der nicht gehaltenen Versprechungen. Anhören brauchten wir die Kiste nun nicht mehr, soviel war klar. Einer kam auf den genialen Einfall, den Ölstand zu checken. Zum allgemeinen Bedauern, gabs da aber nichts zu gucken, der Peilstab war trocken wie Oma ganz unten. Das Bike aufgebockt und ne Wanne drunter gestellt kam die bittere Wahrheit ans Tageslicht.............das Öl, was aus dem Öltank lief, hätte nicht mal gereicht um ne Kaffeetasse zu füllen.........Auweia...........
Mit einem mal fing Elmar wieder das Sprechen an: Hömma, ich war doch grad erst in der Inspektion..........
Noch mal Auweia, aber jetzt richtig...........
Wann? fragte ich ihn.
Na, im März.
Na ja, das ja schon n büschen her, ne?
Mit dieser Information schnappte ich mir unseren Service Ordner, in dem man so alle Inspektionsberichte abheftet, um in einem Fall wie diesem nachvollziehen zu können, wann was war. Und siehe da, Inspektion im März stimmte. Elmar hatte aber vergessen zu erwähnen, das er zwischenzeitlich auf großer Fahrt war. Nämlich auf sehr großer, 7.000 Kilometer langer Fahrt quer durch Europa.
Stutzend fragte ich Elmar: Sachma, hast nicht mal nach dem Öl gesehen?
Nö. War die knappe Antwort.
Ja, warum denn nicht?
Meine Karre hat noch nie Öl gebraucht.
Na ja, das is n recht alter Ofen, da muss man doch mal nach Öl gucken.........?
Ich nich. Dafür gibts ja Euch.
Aha.........uns...........dann nimm uns doch das nächste mal mit in den Urlaub.
4 Sekunden Stille.
Wieder ich: Is denn nich mal das Öllämpchen angegangen?
Hab ich nich drauf geachtet.
Anyway, ein Ölverbrauch von bis zu einem Liter auf Tausend Kilometer ist völlig normal, grade bei älteren Fahrzeugen. Alles was darüber geht, sollte bedenklich stimmen.
Papperlapapp, meine Karre hat noch nie Öl gebraucht. Schließlich bringe ich das Moped zur Wartung in die Werkstatt.
Wir drehen uns im Kreis, Du musst doch zwischendurch mal Öl nachgucken.
Echt, Ollen, weißt Du was der mich da fragt? Ob ich schwer von Begriff wäre, fragt der mich..........jetzt war ich sprachlos...........mit großen Glubschaugen sah ich ihn an und fragte nach: WATT hast Du gesacht?