Ist es nicht seltsam, dass man die Begriffe: Freiheit und Unabhängigkeit am häufigsten von Motorradfahrern hört. Anderen Hobbyisten wie Seglern oder Wanderern geht das bei weitem nicht so leicht von der Zunge. Könnte es daran liegen, dass es in den späten 60zigern keine Film "Easy Sailer" gab und der örtliche Wanderverein nicht als kuttentragende Gruppe mit dem Ruch der verschworenen, halblegalen Gemeinschaft bekannt ist?
Wie Evo schon gesagt hat, das Lebensgefühl Motorrad ist so alt, wie das Motorrad selbst. Die großen Clubs und Filme wie Easy Rider haben das Ganze zum Mythos gemacht und der Masse nahegebracht. Dummerweise verbinden nun eine Menge Leute mit dem Motorrad Kategorien wie Freiheit und Abenteuer, die in ihrem sonstigen Leben einfach abwesend sind. Wer es nicht glaubt, sollte mal im Manager Magazin unter "Manager und Bikes" nachschlagen. Dort darf dann der Geschäftsführer von irgendeiner großen Blauhosenbutze so Sätze wie: "Wenn ich auf dieser Maschine sitze und mir der Wind um die Nase weht, dann spüre ich die Freiheit" ins Diktiergerät salbadern.
Wenn Du das gelesen hast, genau dann weißt Du, dass die Aura die das Motorradfahren umgibt ein Mythos ist und nur noch ein ferner Abklatsch eines Traumes, der von einigen noch gelebt wird (uns Evo und Empire zum Beispiel), dem die anderen aber nur hinterherhecheln, weil damals in "Easy Rider" halt keine Tretroller sondern Chopper zu sehen waren und sich ein namhafter amerikanischer Hersteller diesen Trend in einer wirklich genialen Marketingstrategie zu Nutze gemacht hat. Du musst heute halt nicht mehr Freiheit leben, Du kannst sie einfach kaufen. Gibts für große Börsen in USA, kleinere Börsen werden mit fernöstlichen Fabrikaten bedient.
Wie Evo messerscharf analysiert hat, ist die Käuflichkeit des Mythos und damit die stete Verfügbarkeit auch für völlig unmythische Kreise der Bevölkerung der Grund für den fehlenden Nachwuchs. Jeder der in der Pubertät ist, will gegen die Alten rebellieren. Und wie soll er das tun? In dem er sich vorstellt ein cooler Rocker zu sein? Wenn er doch jeden Abend sieht, wie der Alte von der Arbeit kommt, den Schlips mit dem Lederhalstuch tauscht, die Weste mit dem imitierten Patch anzieht und auf den Bock steigt. Der würde doch Gefahr laufen, daß ihm der Alte auf die Schulter haut und sagt: "Ganz mein Sohn, wirst mal wie ich". Und genau das will keiner von den Bengels.
Ich fürchte wir werden den Schweinezyklus bis zu Ende ausbaden müssen. Wir sind Zeuge eines Hypes geworden, auf den jetzt sicher erstmal eine heftige Hausse folgen wird. Das Motorrad und insbesondere der Chopper wird in Hirn und Leben einiger Aufrechter überwintern und wieder erscheinen, wenn die Zeit reif ist.
Was heißt das jetzt für mich? Gar nichts, ich werd so weiter machen wie bisher. Ich finde Chopper einfach geil, noch geiler finde ich den Gedanken selber an so einem Teil rumzubasteln. Also werde ich es tun. Was der Rest der Welt macht und von Motorradfahren hält ist mir scheißegal und wenn einige Custombikes als dekadent empfinden, bitte. Für mich sind es Kunstwerke.
Viele Grüße
bello