Auch wenn der Dirk Boris im Tattoo Magazin seit Jahren was anderes behauptet : farben scheinen wohl doch nicht so unkoscher zu sein.Krebsrot zb. kriegt ne ganz neue Bedeutung :D:
Stuttgart - Beim Tätowieren denkt man ja an vieles. An Popeye. Oder Popstars. Dass es weh tut. Dass es schön aussieht. Oder hässlich. Dass sich die Tätowierer auch mal verschreiben könnten. Man denkt an Angelina Jolie, die sich einige Tätowierungen wieder hat entfernen lassen. Aber doch wohl kaum, dass man sich damit Autolack unter die Haut spritzen lässt. Ferrari-Rot zum Beispiel.
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Tätowierungen So groß wie ein Din-A5-Blatt »Genau das aber kann passieren. Denn seltsamerweise ist das Tätowieren nicht so geregelt wie man annehmen sollte. Bei Nagellack oder Haarshampoo sind die gesetzlichen Vorschriften genauer. Aber ausgerechnet bei einer Farbe, die man sich in die Dermis, die mittlere Lederhaut injizieren lässt, und die ein Leben lang dort bleibt, ist der Verbraucher nicht geschützt.
Im Untersuchungsprojekt "Tätowierfarben Rot, Orange, Gelb", das die Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter Karlsruhe und Freiburg (CVUA) 2010 an 38 Farben durchgeführt haben, wurde der Verdacht bestätigt, den Gerd Mildau, der Leiter des "Kosmetikteams" am CVUA Karlsruhe, hegte: Die Farben, mit denen viele Tätowierer hantieren, sind zu einem großen Teil nicht gesund. Ein Drittel aller untersuchten Farben enthielt verbotene Substanzen, und die Hälfte hiervon schädliche Stoffe (Amine, Nitrosamine, Phenol). In zwei Dritteln aller untersuchten Tätowierfarben wurden technische Farben gefunden, zum Beispiel Autolacke wie das erwähnte Ferrari-Rot, Druck- oder Kunststofffarben. Nicht nur bei Besuchen der Lebensmittelkontrolleure in Tattoostudios, sondern auch bei einer Tattoo Convention in Reutlingen, bei der sich bis zu 2000 Menschen tätowieren ließen, wurde diese erschreckende Bilanz deutlich.
Dabei beschweren sich sogar manche Tätowierer über mangelnde Informationen der Farbfirmen, bei denen sie einkaufen. In vielen Fällen ist nicht einmal genau ausgewiesen, welche Bestandteile die Farben enthalten. Noch schlimmer ist es bei Farben, die über das Internet gekauft werden. Bei einer Ebay-Recherche der CVUA fanden sich im Februar 2010 insgesamt 1094 Angebote, von Profis mit ausführlichen Informationen, über Anbieter aus Hongkong, bei denen es nur rudimentäre Angaben über die Farben gab, bis zu privaten Verkäufern, die ihre Farben offensichtlich in der Garage mischen. Es wurden sogar Farben angeboten, die als schon benutzt ("höchstens zweimal verwendet") bezeichnet wurden.
Um den Verbrauchern endlich einen möglichst umfassenden Schutz zu bieten, fordert der baden-württembergische Minister für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbraucherschutz, Rudolf Köberle (CDU), eine bundeseinheitliche, besser noch europaweite Regelung: "Diese Ergebnisse zeigen, dass hier dringend gesetzlich nachgebessert werden muss", sagte er in Karlsruhe. Vor allem, weil Tätowieren gesellschaftlich anerkannt ist: "Etwa zehn Prozent aller Baden-Württemberger sind tätowiert, das sind etwa eine Million Menschen. Und der Trend ist steigend."
Je größer eine Tätowierung, desto größer ist natürlich auch die Gefahr einer gesundheitlichen Schädigung. Da die Tattoos im Durchschnitt überraschend groß sind, gelangen mehr gefährliche Stoffe in den Körper als bei kleineren Motiven. Ein bis zwei Milligramm Tätowierfarbe wird pro Quadratzentimeter Haut eingespritzt. Bei 300 bis 400 Quadratzentimetern sind es schon bis 800 Milligramm Farbe. Es können also durchaus nicht unerhebliche Mengen Gift in den Körper gelangen, die zum Teil in der Haut bleiben, zum Teil wandern sie in die Lymphknoten.
Langzeitwirkungen sind noch weitgehend unbekannt
Schon bei einer Internetbefragung von 4500 Tätowierten gaben 270 gesundheitliche Probleme zu. Bei bunten Tattoos übrigens häufiger als bei schwarzen. Die Fachliteratur weiß von Infektionen, allergischen und Fremdkörperreaktionen und Narbenbildung. Schwere Entzündungen oder Gewebeveränderungen kann es bei Permanent Make-up im Gesicht geben. Langzeitwirkungen sind noch weitgehend unbekannt, aber durchaus wahrscheinlich, weil sich auch krebserregende Stoffe wie aromatische Amine in Tätowierfarben finden lassen.
Deswegen schlägt Minister Köberle jetzt vor, in drei Bereichen vorzugehen: Europaweit die bestehende, aber unzureichende Verordnung über Tätowierfarben zu konkretisieren und eine Positivliste der Inhaltsstoffe vorzuschreiben, die Verbraucher zu informieren und den Tätowierberuf zu vereinheitlichen, mit Zulassungen und einer geregelten Ausbildung zu versehen. Denn, wie er "in Oberschwäbisch" sagte: "Da gibt es ja sottene und sottene."
Quelle : Stuttgarter Zeitung